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Die Nacht nach der Diagnose – Tränen & Pläne

Die Nacht nach der Diagnose

Ich habe in jungen Jahren schon viele Nächte verschwendet, um mich wegen eines Mannes in den Schlaf zu heulen. In dieser Nacht weiß ich, dass diese Tränen niemals an die heran reichen, die ich gerade aus Angst um mein Leben weine. (Solltest du gerade Liebeskummer haben … Höre auf zu heulen und such dir wen anders. Der Mann hat dich nicht verdient.)

In der Nacht nach der Diagnose schwanke ich zwischen tiefster Angst, großer Verzweiflung und Selbstmitleid. Angst vor der eigenen Endlichkeit. Wie lange werde ich noch leben? Werde ich den Krebs besiegen können? Bin ich vielleicht nächstes Jahr schon tot? (Ich schreibe das so ehrlich, weil es genauso war.) Verzweiflung, dass ich diese schlimme Zeit alleine überstehen muss. Hätte ich mich doch bloß nicht von meinem Ex-Freund getrennt. Was eine dumme Idee. (Natürlich ist es auch eine dumme Idee, nur mit jemandem zusammen zu bleiben, weil man denkt, man könnte ja mal schwer krank werden.) Jetzt bin ich allein und habe niemanden, der mich tröstet. Niemanden, der mich in den Arm nimmt, mir über den Kopf streichelt und vielleicht auch mit mir zusammen weint. Der mir etwas Kraft und Zuversicht spendet. Und ganz ehrlich, wer will schon eine Krebskranke? Ich werde also für immer alleine bleiben. (Nächste Tränenladung).

Wie unendlich ungerecht ist das Leben, dass ich schon in so jungen Jahren so schwer erkranke? Was habe ich Schlimmes getan? Ich war doch immer gut zu meinen Mitmenschen. Alle möglichen Situationen bilden sich vor meinem geistigen Auge, in denen ich vielleicht nicht nur „gut“ gehandelt habe. Und gleichzeitig denke ich, dass doch andere das genauso machen. Die meisten noch schlimmer. Ich quäle mich mit diesen Gedanken und spüre genau, dass ich damit aufhören muss. Dass dieses Denken nichts bringt.

Wie durch ein Wunder bekomme ich tatsächlich auch klare Gedanken zu fassen. Die ersten Ideen blitzen hervor. (Wer mich kennt, weiß – genauso bin ich, wenn sich Kraft in mir regt: Es sprudeln Ideen.)

Ich will mich mit anderen Betroffenen austauschen. Gibt es Selbsthilfegruppen in Hanau? Morgen suche ich bei Facebook nach einer Brustkrebs-Gruppe. Ich brauche mehr Informationen. Möchte erfahren, wie andere damit umgehen. Möchte Menschen hier in der Nähe haben, die Ähnliches durchmachen wie ich.

Vielleicht kann ich ein Live-Treffen organisieren. Check.

Und ich brauche ein Medium, um diesen Albtraum zu verarbeiten. Es muss etwas Eigenständiges sein, etwas Neues. Ich will offen und ehrlich sein. Denn das Schreiben hilft mir, mich zu sortieren und meine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Und schon morgen wird die nächste junge Frau diese schreckliche Diagnose erhalten. Vielleicht kann ich anderen mit meinen noch frischen Erfahrungen weiterhelfen?

Dieser Blog wird geboren. Check.

Über diese neuen Pläne schlafe ich irgendwann ein. Am nächsten Morgen habe ich etwas dicke Augen. Aber auch nicht mehr, als hätte ich um einen Mann geweint.

Photo by Jamie Street.

 

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