Artikel
0 Kommentare

Durch Krebs lernen – Rückblick auf die Frau, die ich war

Die Frau, die ich war

Es ist ein Sonntag im Dezember 2020. In Deutschland wurde gerade ein weiterer „härterer“ Lockdown verkündet. Ich sitze in meinem Büro, mein Schatz sitzt eine Etage tiefer und werkelt ebenfalls – und alles ist gut. Ich genieße mein Leben, es fließt und wandelt sich täglich – und der Genuss liegt darin, im Moment zu sein und Liebe zu spüren.

Gerade möchte ich den Über mich-Text überarbeiten, bevor wir diesen Blog in den nächsten Tagen wieder online stellen werden. Seit Tagen laufe ich schon drum herum. Klar ist, der Text wird überarbeitet. Nur wie? Einfach löschen und neu schreiben? Das fühlt sich nicht wahr an. Den alten Text behalten und um die neue Sicht erweitern? Wird an dieser Stelle viiiieeel zu lang 🙂

Und so fühlte ich gerade, dass es genau dazu bereits den nächsten Blogartikel geben wird. Denn: Der alte Text, wie ich damals meinen Blog und mich vorgestellt habe, zeigt so viel von mir. Und doch ist eben auch einiges heute nicht mehr wahr für mich. Ich habe mich verändert. Ich sehe bewusster hin. Ich erkenne mehr.

Und klar – wir allen verändern uns täglich und treffen neue Entscheidungen, die das Leben beeinflussen. In den letzten Jahren war das bei mir – ausgelöst durch die Diagnose – jedoch beachtlich und sehr bewusst. Ich habe viel durch den Krebs gelernt. Der Wandel ist das, was ich in meinem Leben in den Fokus gestellt habe. Und genau das möchte ich hier in diesem Artikel für dich anreißen.

Eine Kämpferin erkrankt an Krebs

Mein Über mich-Text startete damals so:

Bis zum Tag der Diagnose war ich eine lebenslustige, offene, junge Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben steht … STOP!

Ich BIN eine lebenslustige, offene, junge Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben steht. JETZT ERST RECHT. Ich habe Power und viel Energie. Ich weiß, was ich will, und was nicht zu mir passt. Ich schäme mich nicht zu weinen, denn Tränen gehören zum Leben dazu. Ich habe jedes Recht auch mal traurig zu sein. Denn ja, gerade kommt es etwas hart. Für dieses Jahr hat sich das Leben ein paar Prüfungen für mich überlegt. Die Größte davon scheint Knötchen zu sein, der bösartige Tumor in meiner Brust. Deswegen aufhören zu lachen? Kann ich nicht. Keine Pläne mehr schmieden? Sag das mal meinem Kopf. Womöglich aufhören an das Gute im Menschen und im Leben zu glauben? Doch nicht wegen Brustkrebs.

Und ich lese von einer Frau, die mutig ist und die Prüfung des Lebens annimmt und sich ihr stellt. Sie gibt nicht auf. Nein – „jetzt erst recht“ – sie bleibt aktiv. Es ist eine Frau, die in „Recht“ und „Unrecht“ denkt. Eine Frau, die den Kampf aufnimmt. Die sich nicht unterkriegen lässt. Eine Frau, die noch sehr im Kopf ist – und noch gar nicht weiß, wie viel es darüber hinaus noch gibt.

Es ist eine Frau, die noch gar nicht weiß, dass sie mit der alten Einstellung von Kampf, Leistung und Kopf nicht mehr weiter kommen wird 🙂

Das Ego setzt die Grenzen – außer du brichst aus

Ich will hier nichts klein reden. Ja, ich bin schwer krank, und der vor mir liegende Weg wird sicherlich kein Spaziergang. Ich weiß nicht, was noch kommt. Es könnte noch schlimmer werden, als das, was ich gerade schon weiß oder erahnen kann. Und natürlich habe auch ich mal Tage, an denen ich down bin. Solche Tage gab es auch schon vor der Diagnose und wird es auch jetzt wieder geben. Ich werde viel meiner Power brauchen, um gesund zu werden. Aber ich glaube auch ganz fest an die Kraft der inneren Einstellung.

In den letzten Jahren habe ich mein Faible für Psychologie ausgebaut und mich nebenberuflich zum Coach weitergebildet. Ich unterstütze nebenbei Menschen bei der (beruflichen) Neuorientierung und helfe ihnen dabei, ihr Leben selbstbestimmt auszurichten. Ich bin gut darin, in Menschen zu erkennen, was sie richtig gut können. Ich sehe, was ihnen gut tut und was sie stärkt. Und ich erlebe auch immer wieder, wie wir Menschen unser eigenes Potenzial schwächen und uns selbst ausbremsen.

Aber sie ahnt schon was … Es gibt in ihrem Denken noch „Krankheit“ und die Wertung, dass Krebs „schlimm“ ist. Aber sie ahnt auch schon, dass es noch mehr dahinter zu entdecken gibt.

Ohne dass ich mich jemals groß damit beschäftigt habe, spüre ich:

Diese Fähigkeiten werde ich brauchen, um den Brustkrebs aus meinem Leben zu verbannen.

Und ich kann sogar noch mehr als das, was ich gerade zeige.

Sie weiß tief in sich, dass sie sich selbst noch nicht in der Tiefe kennt, die es für den nächsten Schritt braucht. Sie weiß auch, dass sie ihre Fähigkeiten noch bewusster erkennen und kultivieren muss. Und sie weiß auch, dass sie sich noch nicht der Welt so zeigt, wie sie in Wahrheit ist. Nur das genaue Ausmaß, das kann diese Frau in dem Moment noch nicht erkennen.

Ich hatte Knötchen. Die Welt hat Corona.

„Goodbye Knötchen“ zeigt meinen eigenen Weg. Mein Knoten ist für mich kein „Arschloch“, und der Krebs wird nicht mit „Fuck cancer“ bezwungen. Es geht um Leben und Tod. Aber nicht um Frieden und Krieg. Eine Krebserkrankung ist sehr persönlich. Ich respektiere jeden individuellen Weg, den jede/r für sich selbst finden darf.

Für mich spüre ich, dass ich es etwas „weicher“ angehen möchte. Knötchen ist bösartig, aber nicht böse. Er ist genauso ein Teil von mir, wie er nach der OP kein Teil mehr von mir ist. Er ist einfach da. Ich glaube daran, dass diese Krankheit etwas Gutes für mich hervorbringen wird. „Goodbye“ bedeutet nicht, dass ich das bösartige Knötchen irgendwann zurück haben will. Es bedeutet, diese Krankheit anzunehmen und in Würde loszulassen. Es bedeutet, etwas zu verabschieden, was ich bisher nicht gewollt habe. Es bedeutet, einen Weg zu finden, mit etwas umzugehen, dessen Dimension ich noch nicht überblicken kann. Es bedeutet, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, ohne die Hoffnung und die Lebensfreude zu verlieren.

Wenn ich diese Zeilen heute lese, empfinde ich so viel Liebe für mein früheres Ich – und damit für mich selbst. Denn in der „Krebs-Szene“ ist die Kampf-Attitude sehr angesagt. Fuck Cancer, Stinkefinger-Fotos und ein entsprechendes Vokabular sieht man an jeder Ecke. Dies war nie mein Weg, damals nicht und heute noch viel weniger – und das lesen wir hier. Von Anfang an spürte ich, dass mein Knötchen nicht böse FÜR MICH ist. Egal, was die klassische Medizin dazu sagt.

Krebs – dieses Wort bewirkt, dass der untrainierte Geist in Angst und Schrecken versetzt wird. Warum die Zellveränderung in einem Körper von Seiten der klassischen Medizin überhaupt so genannt wird? Vielleicht damit genau das ausgelöst wird?

Heute – wo an jeder Ecke sichtbar Angst herrscht – kann ich diesen Teil meiner Knötchen-Lehre erkennen. Ich erwachte mit Knötchen. Die Welt braucht dafür Corona.

Ich und die anderen

Dieser Blog soll mir dabei helfen, meinen eigenen Weg zu finden. Er soll meiner Familie, meinen Freunden und Bekannten einen Einblick in mein neues Leben zu ermöglichen.

Und schon damals wusste ich, dass es mir nicht möglich sein wird, die vielen Fragen aus meinem Umfeld zu mir und zu meinem Gesundheitszustand zu beantworten. Und mich mit den vielen Ängsten, die bei den Menschen wirken und auf mich projiziert wurden, auseinander zu setzen. Was musste ich damals für Gespräche über Zucker, Ernährung allgemein und den Stress auf meiner Arbeit führen? Wie viele Erlebnisse durfte ich erleben, wo mich Wildfremde belehren und mir Ratschläge geben wollten? Wie oft musste ich Menschen zeigen, dass ihr Verhalten nicht angebracht ist?

Und natürlich kann ich heute erkennen, dass jede einzelne Erfahrung mir aufzeigen wollte, wo ich noch nicht rein und klar in mir war. Solange ich mich selbst geißelte, weil ich nicht auf Zucker verzichten konnte, solange erzeugte ich auch entsprechende Situationen im Außen.

Damals erkannte ich dies jedoch noch nicht so klar wie heute. Und es war schmerzhaft. Ich wollte diese Gespräche nicht. Ich wollte die Betroffenheit nicht. Ich wollte die Ratschläge, die sich eben wie Schläge anfühlten, nicht. Am liebsten wollte ich in Ruhe gelassen werden. Dieser Blog half mir dabei, denn in meinen Artikeln konnte ich Klartext sprechen. Und ich weiß, dass einige in meinem Umfeld meine Worte gelesen habe und dann aufhörten mit ihren wichtigen Tipps 😉

Ein guter Coach wirst du durch die Schule des Lebens

Solltest du selbst betroffen sein, egal ob Brustkrebs oder eine andere Krankheit, so wünsche ich dir, dass du einige Impulse und vielleicht ein kleines bisschen mentale Unterstützung für deine eigene Reise bei mir findest. Mein Weg ist nur EIN Weg. Finde deinen eigenen Umgang mit deiner Erkrankung und gehe gestärkt aus ihr hervor. Das wünsche ich dir von ganzem Herzen!

Du bist gesund? Vielleicht kann ich dir hier etwas Leichtigkeit vermitteln, damit du jeden Tag deines Lebens wirklich genießen kannst. Denn wenn du bereit bist, Verantwortung für dein Leben zu übernehmen, dann wird es dir gelingen, noch mehr die schönen Seiten deines Lebens wahrzunehmen.

So klar konnte ich damals schon sehen, dass wir sowieso alle unseren eigenen, individuellen Weg gehen. Ich wollte nie belehren. Ich wollte sichtbar machen. Zeigen. Mich mitteilen.

Es war mein Weg der Verarbeitung.

Und gleichzeitig war es der Weg, um den „Coach in mir“ zu zeigen, mich neu zu positionieren und Denkanstöße und Impulse zu vermitteln. Nicht von Anfang an. Aber mit der Zeit immer mehr.

Fazit mehr als 3,5 Jahre später

Wenn ich das heute lese, wird mir so warm ums Herz. Ich erkenne so viel von mir in der Frau, die ich damals war. Und doch – habe ich mich rundherum erneuert. Von Innen nach Außen.

Was ich über das Leben und Gesundheit gelernt habe, füllt seitdem mehrere Blogs, Bücher, Videos, Audios und Social Media Posts. In unzähligen Coaching-Sessions und Trainings begleite ich seitdem andere Menschen auf ihrem Weg in die Freiheit aus dem Herzen.

Heute weiß ich, dass ich ohne Knötchen diese Tiefe in der Essenz des Lebens wohl nicht so schnell erkannt hätte. Knötchen hat meiner Entwicklung Schubkraft gegeben.

Dafür bin ich von Herzen dankbar.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.