Ich trinke keine Cola, keinen Kaffee und keinen harten Alkohol. Esse kein Würstchen im Brötchen und kaum noch Süßigkeiten. 5-7 Portionen Gemüse und Obst am Tag schaffe ich locker, vieles davon roh. Fleisch gibt es seit einigen Jahren nicht mehr und auch nur noch sehr selten Fisch. Ich trinke ohne Probleme 2,5 l stilles Wasser und ungesüßten Tee pro Tag. Verarbeitete Lebensmittel kommen mir kaum noch ins Haus. Ich esse viel frisch. Nicht alles mache ich selbst, aber vieles.
Ich bin schlank und bewege mich viel. Ich habe kein Übergewicht, im Gegenteil: Ich trage schon ewig Kleidergröße 34/36. Seit fast 7 Jahren mache ich regelmäßig Yoga. Ich gehe spazieren und fahre Fahrrad. Rauchen? Habe ich vor 16 Jahren mit aufgehört (Jugendsünde!) und seitdem nie wieder das Verlangen danach gehabt.
Ja, ab und zu gibt es ein Glas Wein oder ein Bier. Auch mal zwei. Aber nichts Hartes und alles in Maßen. Ist das Glas Wein pro Tag nicht sogar gesund?
Das war nicht immer so, das stimmt. Aber schon seit einigen Jahren lebe ich achtsam und gesund. Und falls du jetzt denkst – das macht doch keinen Spaß. Stimmt nicht! Gönnen tue ich mir auch etwas. Ich liebe Pizza und Kuchen. Und die gibt es auch immer mal wieder. Mein Leben fühlt sich also nicht nach Verzicht an. Denn ich freue mich jeden Tag darüber, dass mir neine gute Ernährung und regelmäßige Bewegung so gut tut.
Und dann kam Knötchen. Und mit ihm der Gedanke, was mir das alles gebracht hat? Offensichtlich nichts! Ich fühle mich verarscht. Seit der Diagnose beäuge ich jeden übergewichtigen Menschen auf der Straße mit einem neidischen Blick. Selbst vor dem Klinikum stehen alte Menschen und saugen an ihrer Zigarette. Wieso ich und nicht der oder die andere? Wieso darf jemand womöglich Jahrzehnte rauchen und bleibt gesund? Und ich nicht? Wieso hat es mich getroffen? Was habe ich womöglich falsch gemacht?
Sollte ich noch weniger Alkohol trinken? Noch mehr Rohkost essen? Das alles über Bord schmeißen, und wieder zu einer fleischlastigen 08/15-Ernährung zurückkehren, so wie früher? Mir weniger Gedanken darum machen? Oder noch mehr? Worauf kann ich noch vertrauen, wenn ich die Ernährung, die in jedem Krebs-Präventionsratgeber steht, schon längst umsetze? Wenn ich mich bewege, genügend schlafe, an der frischen Luft bin, und es mich trotzdem mit so einer schlimmen Krankheit erwischt.
Ganz ehrlich, am Tag der Diagnose überlegte ich kurz (wahrscheinlich zwischen dem zweiten und dritten Glas Sekt), ob ich mir jetzt eine fette Pizza mit Salami bestelle. Unglücklicherweise (?) reizt mich diese gar nicht mehr. Ich ernähre mich schon so lange „anders“, dass mir viele Sachen, die andere als normal empfinden, gar nicht mehr schmecken. Einen Kuchen konnte ich so schnell nicht herzaubern (Zucker ist und bleibt meine Schwachstelle). Also blieb ich beim Sekt. Ich hatte eh keine Kraft, mir etwas zu essen zu machen. Meine Nachbarin hatte schließlich Erbarmen und bot mir etwas Ravioli mit Parmesan an. Ganz ehrlich, eine solche Mahlzeit – so ganz ohne Gemüse und Grünzeug – gibt es bei mir sonst nie. An diesem Tag nahm ich das Essen dankend an, denn ich brauchte etwas im Magen.
Am nächsten Tag war ich immer noch verzweifelt. Die Suche nach dem „Warum ich?“ beschäftigte mich rund um die Uhr. Ich wurde nur abgelenkt durch die ersten Untersuchungen, die bereits anstanden. Da ich es nicht anders gewöhnt bin, bereitete ich mir morgens meinen Frühstücksbrei zu, eine Art Porridge aus verschiedenen Getreidesorten mit Gewürzen und Obst. Zwischendurch gab es Nüsse. Mittags Salat und nachmittags einen grünen Smoothie. Und schwupps war ich wieder drin in meiner persönlichen normalen Ernährung. Und dabei ist es bisher auch geblieben.
Mittlerweile denke ich, was auch immer den Krebs zu mir geführt hat – die Ernährung kann es nicht gewesen sein. Und für alle anstehenden Behandlungen wird es mir helfen, wenn ich weiterhin fit bin. Und dafür brauche ich meine gewohnte Nahrung, die mich sättigt und meinen Körper mit Nährstoffen versorgt. So viel wie das eben geht in einer Zeit, in der vieles überzüchtet ist und die Vitamine mit der Lupe gesucht werden müssen.
Photo by Jamie Street.