Artikel
2 Kommentare

Empathie – oder: Erwartungen an Ärzte

Empathie

In den letzten Wochen habe ich wahnsinnig viele Ärzte der unterschiedlichsten Fachrichtungen kennengelernt. Ältere und jüngere. Gehetzte und entspannte. Informierte und scheinbar unwissende. Es war so ziemlich alles dabei. Nur eines hatten fast alle gemeinsam …

Sie zeigten wenig Empathie.

Ist Empathie überhaupt wichtig für einen Arzt? Immerhin reden wir ja hier von der Schulmedizin. Zahlen, Daten, Fakten. Anhand der Tumorbiologie wird nach Leitlinien die passende Behandlung zusammengestellt. Durch diese wird der Patient für einen gewissen Zeitraum, vielleicht auch lebenslänglich, geführt. Je nach Schwere der Erkrankung vielleicht ein Leben lang.

Welche Erwartungen stellen sich an einen Arzt, der sich um Brustkrebs-Patienten kümmert?

  • Es braucht natürlich zuallererst tiefgehendes und aktuelles Fachwissen. Glaube mir, wenn du dich als gut informierte Krebspatientin besser auskennst als der Arzt – das erweckt kein Vertrauen. Und da ich seit meiner OP nur noch von Assistenzarzt zu Assistenzarzt herum gereicht werde, kommt dies leider vor. Natürlich haben auch junge Assistenzärzte mehr medizinisches Wissen als ich. In den Details aber, z. B. wann welche Behandlung ansteht und wie die Abläufe sind – da kenne ich mich mittlerweile häufig schon besser aus.
  • Dieses Fachwissen muss verständlich ausgedrückt werden können. In der Regel kennt man sich mit seiner Krankheit nicht besonders gut aus, wenn man die Diagnose erhält. Man hört nur Fremdwörter, kann das alles nicht begreifen. Dazu kommt die psychische Belastung, die bei einer möglicherweise lebensbedrohlichen Erkrankung wie Krebs sehr groß ist. Umso wichtiger ist es, dass ein Arzt in der Lage ist, mit dem Patienten in seiner Sprache zu kommunizieren.
  • Und ich erwarte von einem Arzt auch, dass er mit dem persönlichen Fall vertraut ist. Wenn plötzlich von der rechten Brust gesprochen wird, obwohl es die linke ist (ist mir passiert) … Unschön.
  • Es wäre nützlich, wenn bei einem vereinbarten Termin genügend Zeit eingeplant ist, damit man alle Fragen los werden kann. Das ist je nach Patient unterschiedlich. Ich persönlich frage viel. Um meiner eigenen Verantwortung mir selbst gegenüber gerecht zu werden, brauche ich Informationen. Und ja, vielleicht auch mehr als der normale Durchschnittspatient. Dafür heule ich auch weniger rum. Ich bin ja auch ne ganz Harte. 😉

Am Ende des Tages ist es meine Gesundheit, nicht die des Arztes. 

  • Und es gibt eben diese eine Sache, die ein Arzt-Patienten-Gespräch trägt. Die es menschlich macht – die Empathie. Unter Empathie versteht man die Fähigkeit, sich in andere Menschen und ihre Emotionen, Bedürfnisse und Gedanken einfühlen zu können und dementsprechend zu handeln.  Ein wenig mitfühlen, erkennen, an welchem Punkt jemand gerade steht und darauf eingehen. Mal einen lustigen Spruch genauso wie das Taschentuch reichen. Etwas Warmherzigkeit und ein paar aufbauende Worte. Eine persönliche Einschätzung, auch ohne dass gleich alles 100pro dokumentiert werden muss. Ein paar aufbauende Worte in dieser neuen und nun mal eher unglücklichen Situation.

Aus meiner Sicht ist Empathie eine ganz wichtige Eigenschaft für Ärzte. Insbesondere im Umgang mit Krebspatienten, die – je nach Schwere der Diagnose – vielleicht ihr Leben lang behandelt werden und nicht mehr geheilt werden können.

Erwartungen können auch mal enttäuscht werden

Letztens habe ich einen Erfahrungsbericht einer jungen Brustkrebs-Patientin gelesen. Vieles davon konnte ich gut nachempfinden. Ihre Schilderungen zu der ärztlichen Betreuung hingegen konnte ich so nicht bestätigen. Einige Male dachte ich beim Lesen „Solche Ärzte hätte ich auch gerne.“ Hatte mir schon mal jemand Mut gemacht? Mir das echte Gefühl vermittelt, dass ich es schaffen werde? Ich musste tief im Kopf graben und die Situationen, an die ich mich erinnerte, lagen schon einige Wochen zurück.

Tatsächlich sind die Menschen in dem Brustzentrum, in dem ich behandelt werde, sehr unterschiedlich. Genauso wie überall auf der Welt. Es wäre daher falsch von mir, alle über einen Kamm zu scheren. Unter den Oberärzten fühle ich mich tendenziell besser aufgehoben. Und natürlich verstehe ich, dass die Assistenzärzte noch nicht immer souverän agieren können. Ich war ja auch mal Berufseinsteigerin. Aber müssen die unbedingt allein an mir üben? Könnte nicht ein erfahrener Arzt dabei sein und unterstützen?

Daher entstand in letzter Zeit das Gefühl bei mir, dass mehr emotionale Aufbauarbeit durch die Ärzte nützlich für meine Gesundung wäre. Mut machen und meine Prognose als positiv bewerten – diese Aufgabe kommt gerade allein mir selbst zu. Natürlich ist mir bewusst, dass alle unter Druck stehen. Zeitmangel, Stress und Doppelschichten sind in Klinken und Arztpraxen an der Tagesordnung. Aber ist deswegen meine Erwartung überhöht? Oder liegt nicht vielmehr ein strukturelles Problem vor, wenn es bei schweren Erkrankungen daran mangelt?

Meine Verantwortung, deine Verantwortung

Häufig ist von der Selbstverantwortung des Patienten die Rede. So genau hat mir keiner erklärt, was damit gemeint ist. „Sie müssen auch mitmachen“ hieß es. Nun ja, ich komme nicht nur pünktlich zu den Terminen, sondern denke auch mit, versuche zu verstehen und erinnere auch mal an Dinge, die durch die vielen Arztwechsel scheinbar vergessen werden. Und dazu kommt ganz viel Selbstfürsorge, um meine Selbstheilung zu unterstützen. Also ja, ich bin der Ansicht, ich mache schon gut mit. Aber was müssen die Ärzte machen? Und zwar neben den Kernaufgaben, wie Aufklärungsgespräche führen und operieren? Denn Aufklärungsgespräche kann man ausführlich und (da haben wir es wieder) mit Empathie führen. Oder man kann sie führen, indem man runter dokumentiert, was man im Studium gelernt hat. Beides erlebt. Was tut mir als Patientin wohl besser?

Bei einer Krebserkrankung wechselt man häufig mal die Fachdisziplin. Ich bin in der Gynäkologie angesiedelt, denn ich hatte einen Tumor in der Brust. Daneben schauen aber noch Radiologen, Pathologen, Gastroenterologen, Anästhesisten, Nuklearmediziner und so weiter auf mich drauf. Vom Brustzentrum aus werde ich überall hin geschickt. Mal bleibe ich in der Klinik, mal geht es nach außerhalb – zum Hausarzt, zum Gynäkologen. Krankschreiben tut die Klinik nicht. Überweisen darf sie auch nicht. Vermutlich aus Gründen der Abrechnung für die Krankenkasse.

Ich bin 36 Jahre alt und habe Brustkrebs. Es ist IHR JOB, mir diese Dinge zu sagen. ICH bin die Patientin. Das kann ich nicht wissen. Die schlechten Prozesse hier in der Klinik tragen gerade nicht dazu bei, dass ich schnell wieder gesund werde.

Diesen kleinen, aber feinen Ausbruch durfte daher letztens eine Dame am Empfang des Gastroenterologen in der Klinik über sich ergehen lassen. Die Frauenklinik hatte versäumt zu erwähnen, dass ich eine Einweisung für meine Magenspiegelung brauche. Im Rahmen des Staging wurde eine Verdickung an der Magenwand gefunden. Sicherlich nichts Schlimmes, aber muss abgeklärt werden. Einweisung also. Natürlich vom Hausarzt. Zur Erinnerung, das ist der Arzt, wo man eigentlich nur hin geht, wenn man einen gelben Schein wegen einer Grippe braucht. In Sachen Brustkrebs hätte man da nicht so viel verloren, wenn man nicht gerade wieder irgendeinen Zettel für irgendwas braucht. Ohne Einweisung wollten sie nicht mal das Vorgespräch mit mir machen. (Nach meinem Ausbruch dann schon.)

Ja, ich weiß, das war emotional von mir. Aber an dem Tag ist mir echt die Hutschnur geplatzt. Da kam viel mehr hoch als nur diese fehlende Einweisung. Die vielen unterschiedlichen Ärzte, die so häufig etwas anderes erzählen. Die Tatsache, dass mir keiner mal eine Prognose nennt oder mir Hoffnung macht. Niemand sich nach den OP’s in der Lage fühlt, mir das Medizinerdeutsch mal in Sätze zu verpacken, die es mich besser einordnen lassen. Ich funktioniere, mache und tue. Und dennoch bin ich auch nur ein Mensch. Mit Gefühlen, Unsicherheiten und Ängsten. Und einer schweren Erkrankung, die – so dachte ich bisher – einen Umgang mit einem gewissen Einfühlungsvermögen voraussetzt.

Was wünsche ich mir also von den Ärzten?

Ich bin davon überzeugt, dass ein fester Ansprechpartner in der Zeit der akuten Brustkrebs-Behandlung positiv wirkt. Denn dann wäre ich nicht nur ein „Fall“, sondern in erster Linie wieder Mensch und Patientin. Durch ein gegenseitiges Kennenlernen über eine längere Zeit würde ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Es würde weniger vergessen oder doppelt erzählt werden. Ich würde mich einfach wohler und besser aufgenommen fühlen. Es gäbe weniger emotionalen Stress. Dafür mehr Hoffnung. Und mein Fokus könnte allein auf dem gesund werden liegen.

Jedoch kann ich die Ärzte und die bestehenden Strukturen schlecht ändern.

Love it, change it oder leave it.

Das gilt also auch hier. In den letzten Wochen habe ich mir dazu einige Gedanken gemacht und für mich Folgendes entschieden: Ich nehme es so an, wie es ist. Zumindest versuche ich es.

Ich stehe hinter dem Brustzentrum bzw. dem Klinikum, in dem ich behandelt werde. Als meine Diagnose frisch war, hatte ich mir noch eine größere Klinik angeschaut. Dort hat mir die erfahrene und sehr empathische (!) Ärztin zwar besser gefallen – diese ist aber auch nur eine von vielen dort. Die Empfangsdamen sind wohl in jeder Klinik gestresst und lassen – je nach Level – ihren Frust am Patienten aus. In einem größeren Haus dauert es vielleicht auch mal länger. Dafür hat man da wirklich alles unter einem Dach (in meiner Stadt muss ich den einen oder anderen Arzt auch mal außerhalb der Klinik aufsuchen, was jedoch für mich kein Problem darstellt). Ob es professioneller und dadurch vielleicht besser ist, steht in den Sternen. Und ganz ehrlich, das kann ich als (letztens noch) Brustkrebs-Laie auch nicht beurteilen.

Für mich zählt daher das Gefühl. Bin ich gut aufgehoben? Werden meine Bedürfnisse erfüllt? Und diese Fragen kann ich im großen und ganzen mit „ja“ beantworten. Daneben ist mir die Erreichbarkeit sehr wichtig gewesen, damit ich die vielen, vielen Termine gut in mein Leben integrieren kann.

Denn ich bin nicht nur Patientin, sondern habe auch noch ein Leben außerhalb des Brustkrebses.

Und die fehlende Empathie, insbesondere bei den wechselnden Assistenzärzten? Nun, immerhin habe ich meinen Beitrag dazu geleistet, dass auch der Nachwuchs gleich an das „echte Mediziner-Leben“ heran geführt wird 😉 Und für die wirklich wichtigen Fragen habe ich mir nun vorgenommen, auf einen Termin bei einem der Oberärzte zu bestehen. Und somit für meine Bedürfnisse aktiv einzutreten, und nicht nur ein Spielball in den Händen des Brustzentrums zu sein.

Photo by Rodion Kutsaev.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.