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Wie finde ich meinen eigenen Weg in die Heilung?

Weg

Ich höre ziemlich häufig, dass ich nicht krank wirke. Dass ich tapfer und mutig sei. Und dass ich die „normalste“ Krebs-Kranke überhaupt sei. Irgendwie sieht mir das auch ähnlich. Als ich die Diagnose erfahren habe, war ich am Boden zerstört. Aber relativ schnell habe ich für mich erkannt, dass es nur zwei Optionen gibt: Leben so gut es eben geht oder aufgeben.

Und Aufgeben ist keine Option.

Vielleicht habe ich mich ein wenig schneller hoch gerappelt als das andere tun können. Nach rund 3 Tagen war ich „Heul-frei“. Und wenige Tage später konnte ich schon an meiner Erkrankung denken, ohne ein ganz schlimmes Gefühl in der Brustgegend zu bekommen. Ich glaube, dass der Umgang mit einer solchen Diagnose extrem unterschiedlich ausfällt. Es gibt Millionen Wege und jeder davon hat seine individuelle Berechtigung.

Für seinen eigenen Weg braucht es eine klare, innere Haltung

Innere Haltung – was ist das eigentlich? Ich verstehe darunter, eine Überzeugung, wie man zu etwas steht. Wie man etwas machen will. Ein Gefühl dafür, wie es für einen persönlich richtig ist. Und auch eine gewisse Stärke, sich für sich einzusetzen – auch wenn dies mal gegen „normales Verhalten“ verstößt. Selbstbewusstsein, Vertrauen und Authentizität gehören dazu. Genauso wie Mut und Ausdauer.

Ich dachte bis letztens, dass ich mich selbst sehr gut kenne und ein gutes Gefühl für mich habe. Seit der Diagnose weiß ich: „Das ist immer noch ausbaufähig.“ 🙂 Wenn Grenzen überschritten werden, braucht es mehr als die bekannten Strategien. Und neue Wege entstehen nicht über Nacht. Und oftmals sind sie auch nicht geteert oder mindestens ausgetreten. Sie sind unbekannt oder liegen abseits, so dass man sie erst nach einigem Suchen findet.

So geht es mir auch mit meinem Brustkrebs. Es gibt so viele Fragen, die sich mir stellen. Angefangen von der optimalen Behandlung, den richtigen ergänzenden Therapien und der Organisation aller Termine rund um die Behandlungen. Hin zu einem passenden mentalen bzw. inneren Umgang damit. Nicht jeder Tag ist gleich, im Gegenteil. Ich habe mich schon immer für Persönlichkeitsentwicklung interessiert und liebe es, mich weiterzuentwickeln. Doch was ich aktuell an innerem Wachstum hinlege, hätte ich niemals für möglich gehalten. Vielleicht ist das von außen nicht immer so erkennbar. Aber ich selbst merke es sehr stark.

Wie findet man nun das, was für einen selbst richtig ist?

Im Umgang mit meinem Brustkrebs gibt es einige Parteien, die mitsprechen wollen.

  • Da ist zum einen mein Verstand bzw. mein Geist. Den kenne ich schon ziemlich lange. Er ist gut eingeölt und läuft wie geschmiert. Was er für mich leistet, ist lange erprobt. Recherchieren, Analysieren, Szenarien aufstellen, Abwägen, Entscheiden – zack, zack ist klar, wie es weitergehen kann.
  • Mein Körper ist auch mit an Bord. Er hat gerade besonders viel zu leisten. Denn in ihm hat sich ein bösartiger Tumor gebildet. Und er musste drei OP’s nebst Vollnarkosen wegstecken. Dafür bekommt er aktuell jede Menge Streicheleinheiten in Form von Schlaf, Yoga und Waldspaziergängen.
  • Wenn man den Verstand als (Teil des) Geist(s) ansieht, so gibt es in mir natürlich auch die Seele. Darin befindet sich meine Psyche. Die hat mir in letzter Zeit ziemlich viele Botschaften geschickt. Und ich befürchte, dass ich nicht auf alle gehört habe. Fühlt sich meine Seele vielleicht im Moment etwas zurück gesetzt?
  • Irgendwie scheint es in mir auch noch einen Teil zu geben, den ich das Ego nennen würde. Dieser Teil besteht darauf, dass gewisse Dinge so gemacht werden, wie er (?) es für richtig hält. Denn immerhin hat Knötchen ihn uneingeladen befallen, und das lässt er sich nicht bieten. Knötchen muss wieder gehen, das steht fest.
  • Und in mir schlägt auch mein Herz. Mein Herz steht für das pure, echte Gefühl. Und auch für meine Intuition. Knötchen in seiner Form als bösartiger Tumor hatte sich ziemlich nah an meinem Herzen niedergelassen. Wollte er mir damit etwas sagen?

Wenn es nun darum geht, im Hinblick auf meine Erkrankung Entscheidungen zu treffen, dann geht es immer darum, diese fünf Parteien in Einklang zu bringen. Das war anfangs gar nicht so einfach. Mein Geist und mein Körper waren sich sofort einig. Ihre Verbindung ist in den letzten Jahren durch meine ausgedehnte Yoga-Praxis stetig gewachsen. Mein Ego kenne ich auch schon gut. Das sagt „Nicht mit mir. Dem Krebs zeige ich es.“ und gibt gerne mal dem Verstand Befehle, den besten aller möglichen Behandlungswege auszukundschaften.

Doch von Anfang an hatte meine Erkrankung auch eine weiche Seite. Immerhin heißt mein Tumor bzw. mein Krebs „Knötchen“. Und nicht Arschloch oder ein anderes dreckiges Wort, so wie ich es schon öfter von anderen Brustkrebs-Patienten gehört habe. Ich habe beginnend mit der Biopsie (Gewebeentnahme) angefangen, ein Verhältnis mit meinem Knoten in der Brust aufzubauen. Ja, ich bin traurig, dass ich krank geworden bin. Und nein, ich bin nicht sauer auf meinen Krebs. Ich habe ihn nicht eingeladen, aber er ist da. Klar, mittlerweile ist der Knoten raus operiert und die weiteren Behandlungen laufen an. Aber zu denken, dass deswegen der Krebs für immer weg ist? Das halte ich für zu kurz gedacht. Es entspricht der Denke der Schulmedizin, dass das Symptom – der Tumor – bekämpft wird. Aber was ist mit der Ursache?

100%DU sein, das ist mein Leitspruch. Mein Coaching-Business steht unter dem Motto „auf die Spur kommen„. Mir ist es eine Herzensangelegenheit, dass jeder von uns selbstbestimmt seinen Weg geht, authentisch und echt. Dass jeder das in sein Leben einbringt, was er zu geben hat. Dass jeder genauso wie er ist gut ist. Und dass jeder selbst in der Hand hat, was aus seinem Leben wird.

Hatte ich in meinem eigenen Leben etwa selbst etwas Entscheidendes vergessen?

Auf der Suche nach Lösungen fiel mir schnell auf, dass ich mein Herz als auch meine Seele bisher zwar mit einbezogen hatte, aber weniger als die anderen Anteile. Das war eine harte Erkenntnis für mich. Denn ich hatte ja in den letzten Jahren so wahnsinnig viel in meinem Leben verändert, und die einzelnen Bereiche immer mehr nach mir ausgerichtet. Offensichtlich war es nicht genug gewesen. Irgendwas musste mir durchgerutscht sein. Oder warum ist Knötchen in mein Leben gekommen? Was will er mir sagen? Anfangs habe ich mir den Kopf zermartert. Es war schmerzhaft, darüber nachzudenken. Immerhin hatte ich bis zu meiner Diagnose den Eindruck, dass ich genau mein Leben lebe. Dass alles gut ist wie es ist. Ich wollte an eine Laune des Schicksals glauben und war offen für ärztliche Aussagen, die von biologischem Pech handelten. Aber so richtig glaubte ich nie daran.

Mit der Zeit änderte sich meine Einstellung. Mittlerweile fühle ich, dass ich nicht nur fühlen darf. Sondern dass ich auch danach handeln darf. Etwas fühlt sich genau richtig an? Machen! In einer Umgebung fühlt sich alles dunkel und beengend an? Weg da! Mein Herz freut sich, denn ich handele im Moment weniger strategisch und überlegt, dafür mehr impulsiv und gefühlslastig. Das mag noch keine vollkommene Kongruenz zwischen meinen fünf inneren Parteien sein, aber es ist dennoch ein erster Schritt auf meinem neuen Weg. Denn wenn eine Partei der Ansicht ist, bisher zu wenig Mitspracherecht gehabt zu haben, dann hat sie Nachholbedarf. Und den darf mein Herz gerade ausleben.

Welcher Weg führt in die Heilung?

Ich glaube mittlerweile, dass ich die bisher eher unterrepräsentierten Komponenten noch stärker in mein Leben integrieren darf. Meine Gefühle sind mindestens genauso wichtig wie mein Verstand. Nur bin ich – und neben mir geht das wahrscheinlich einigen „Kopf-Arbeitern“ so – nicht geübt darin, den Verstand mal auszuschalten. Als Coach setze ich mein Gespür für emotionale Regungen bewusst ein. Bei meinen Klienten und auch bei mir selbst. Jedoch reicht es nicht, diese wahrzunehmen. Sie wollen nicht nur gehört werden. Sie wollen auch sichtbar gemacht werden.

Oftmals läuft es doch so: Wir spüren, dass etwas gut für uns ist, und suchen dann nach rationalen Gründen, warum das so ist. Das fängt schon beim Shoppen an. Ein neues Paar Schuhe? Selbst wenn der Partner sagt, dass man doch schon ein ähnliches Paar im Schrank hat, finden wir Frauen einen verdammt nachvollziehbaren Grund, warum wir es doch kaufen sollten. „Ja, ich hab schon ein Paar in Grau. Aber bei diesem ist der Absatz höher.“ 😉 Anstatt einfach mal zuzugeben, dass wir es nur kaufen wollen, weil wir Bock (= Gefühlsregung) drauf haben.

Und ja, es ist ok, etwas vollkommen aus dem Herzen heraus zu machen.

Viele von uns sind verkopft und haben entweder den Kontakt zu ihrem Herzen verloren oder vertrauen ihm nicht genug. Für mich habe ich erkannt, dass ich zwar einen sehr guten Draht habe. Ich weiß genau, was mein Herz will. Jedoch habe ich meinem Geist doch öfter mal erlaubt, lauter zu brüllen als meinem Herzen. Dadurch hat mein Herz wohl gedacht, dass ich nicht genug auf es höre. Und da mein Herz einen guten Draht zu meinem Körper hat, hat es mir Knötchen geschickt. Damit ich auf Knötchen höre. Eigentlich ziemlich schlau, oder? 😉

Dieser Artikel beruht größtenteils auf meinen eigenen Erfahrungen der letzten Jahre, insbesondere auch der aus den vergangenen Wochen. Unterstützt hat mich dabei u. a. das Buch von Uwe Kapfer „Krebs Go Home„. Neben Körper, Geist und Seele fügt er das Ego und das Herz als wichtigen inneren Anteil hinzu. Dies hat mich so überzeugt, dass ich dieser Aufteilung mit diesem Artikel folgen möchte. 

Photo by Sandra Lotz.

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